Das Feuer für die Götter

Während er das Feuer einfing, ermahnte er sich,
auf keinen Fall die Freunde zu vergessen,
denn es würde sie all aus seinem Herzen fressen.

Während er das Feuer einsteckte, gebot er sich,
ganz vorsichtig und auf der Hut zu sein,
sonst hole ihn doch der Fluch der Gorgonen ein.

Während er das Feuer forttrug, beeilte er sich,
denn lang war sein Weg durch ödestes Land
und das verdammte Feuer hing schwer an der Hand.

Während er das Feuer rausholte, fragte er sich,
warum ihm die Götter dies Werkel befohlen,
zur Erleuchtung des Herzens dies Feuer zu holen.

Während er das Feuer aushöhlte, vergaß er sich,
denn die Flammen fraßen ihn von innen auf.
Wie hätte er sehen sollen, als die Seele entschlich?

 
(2004 zuerst veröffentlicht in „Frankfurter Bibliothek 6: Weimarer Sammlung“, S. 1345f)

 

auch erhältlich in

Cover-Poster Gedichtsammlung immer (noch) wahr - 80 Gedichte von Martin Wolkner
 
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(164 Seiten, Erst-VÖ: 2019)